Als angehende*r Jurist*in hast du es mit einer großen Menge an Theorie zu tun, die du erst in deinem Referendariat praktisch anwendest. Während des Studiums kann es daher vorkommen, dass du den Sinn des Gelernten für deine Tätigkeit hinterfragst – insbesondere dann, wenn du in einer Anwaltskanzlei arbeiten willst und nicht das Richteramt anstrebst. Law Clinics können hier die Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen, da sie dir die rechtliche Beratung von Personen und die Bearbeitung echter Fälle ermöglichen. Worum es sich bei diesen Einrichtungen handelt und wie weit deine Befugnisse gehen, erfährst du in diesem Artikel.
Allgemeine Informationen und rechtliche Hintergründe
Das Konzept der Rechtsberatung durch Studierende stammt aus den USA, wo diese Form der ehrenamtlichen und kostenfreien Beratung in den Law Schools fest etabliert ist. Ratsuchende erhalten dort in allen rechtlichen Belangen Unterstützung. Wichtig ist dabei in den USA insbesondere der Umstand, dass diese Beratung kostenlos ist. Die Angebote zielen also vor allem auf einkommensschwache Personen ab, die sich keine anwaltliche Vertretung leisten können. Die Beratung erfolgt dabei nicht nur durch Studierende, sondern auch durch Rechtsanwälte und Hilfsorganisationen.
In Deutschland ist die Beratung in einer Clinic seit dem 1.7.2008 möglich. An diesem Tag wurde eine reformierte Version des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) verabschiedet, die es unter anderem Studierenden ermöglicht, außergerichtliche Beratung sowie Vertretung anzubieten. Auch Architekten, Diplom-Betriebswirte und andere Berufsgruppen dürfen beratend tätig werden. Diese Regelung gilt nicht für:
- Vertretung gegenüber Gerichten
- Beratung und Tätigwerden in gerichtlichen Verfahren
- Annahme von Mandaten in straf- oder steuerrechtlichen Prozessen sowie Ordnungswidrigkeiten
Durch das Gesetz soll verhindert werden, dass unqualifizierte Rechtsdienstleistungen stattfinden. Unter einer solchen Dienstleistung versteht man die rechtliche Prüfung eines Einzelfalls in einer fremden Angelegenheit. Die Erstellung wissenschaftlicher Gutachten, die Mediation oder die mediale Aufbereitung rechtlicher Fragestellungen für die Allgemeinheit fallen nicht darunter. Zugleich gestattet das Gesetz, dass solche Dienstleistungen unentgeltlich erbracht werden. Dennoch sind die beratenden Personen haftungspflichtig, weshalb es für dich als Studierende*r sinnvoll sein kann, in einem Beratungsvertrag deine Haftung auszuschließen. Folgendes erlaubt dir das RDG:
- Beratung und Tätigwerden in außergerichtlichen Angelegenheiten des Zivilrechts
- Vertretung von Ratsuchenden gegenüber Behörden, Unternehmen und der Gegenseite
- Aufsetzen von entsprechenden Schreiben, Widersprüchen, Mahnungen etc.
- Mediation bei sozialen Konflikten
Welche Vorteile bringt dir die Arbeit in einer Clinic?
Die ehrenamtliche Tätigkeit ermöglicht es dir, dein theoretisches Wissen praktisch anzuwenden. Du lernst, wie du mit Mandant*innen umgehst, alle wichtigen Sachverhalte erfasst und dein Vorgehen am besten strukturierst. Mittlerweile haben viele Universitäten Clinics eingerichtet, in denen du durch Professoren und niedergelassene Rechtsanwälte bei der Bearbeitung der Fälle unterstützt wirst. Du lernst also die Anwendung rechtlicher Vorschriften direkt von deinen zukünftigen Kollegen, knüpfst Kontakte und erwirbst Sozialkompetenzen, die dir bei deiner späteren Tätigkeit nützlich sein werden.
Wie ist die studentische Beratung in Deutschland organisiert?
Neben den Clinics einzelner Fakultäten gibt es zwei Dachverbände: Den DSR e.V. und den Dachverband der Refugee Law Clinics Deutschland. Letztere haben sich auf Asyl- und Ausländerrecht spezialisiert. Ein Zusammenschluss von Beratungsangeboten stellt Law&Legal dar, das an sechs Standorten deutschlandweit vertreten ist und über 600 Mitglieder verfügt.
Welche Kritik gibt es?
Im Gegensatz zu den USA ist das Referendariat in Deutschland fester Bestandteil der juristischen Ausbildung und stellt eine lange und umfangreiche praktische Phase dar. Kritiker sind daher der Auffassung, dass das deutsche Jurastudium auch ohne eine ehrenamtliche Beratungstätigkeit genügend Praxiserfahrung bietet. Allerdings findet ein großer Teil des Referendariats an Gerichten und bei der Staatsanwaltschaft statt, da das Jurastudium auf den Beruf des Richters vorbereitet. Ein weiterer Kritikpunkt besteht darin, dass es für mittellose Personen die Möglichkeit gibt, sich fast kostenlos über einen Beratungshilfeschein außergerichtlich vertreten zu lassen. Die Beratung durch Studierende nehme Kanzleien daher Mandanten weg.