Junge Juristen streben häufig einen Job in einer renommierten Großkanzlei oder in großen Unternehmen an, die mit grandiosen Gehältern locken. Dass sie dafür auch 14-Stunden-Tage in Kauf nehmen müssen, ist vielen Absolvent*innen nicht bewusst. Eine alternative Karrierechance ist die Tätigkeit bei einem Gericht. Als Richter hast du einen verantwortungsvollen und vielseitigen Beruf, der mit attraktiveren Arbeitszeiten und sehr guten Verdienstchancen lockt.
Der Weg ins Richteramt: Was ist zu beachten?
Voraussetzung für eine Einstellung als Richter ist zunächst ein zweites Staatsexamen mit einem guten Notendurchschnitt. Im Allgemeinen wird die Note „Vollbefriedigend“ vorausgesetzt. Einzelne Bundesländer sind jedoch inzwischen nicht mehr so streng, sondern begnügen sich bereits mit einem guten „Befriedigend“, sofern der Bewerber oder die Bewerberin über zusätzliche Qualifikationen wie ein gutes erstes Staatsexamen oder besondere Fachkenntnisse in einem Untergebiet des Rechts vorweist.
Die Bewerbung erfolgt bei einem Oberlandesgericht deines bevorzugten Bundeslandes, wobei es keine Fristen zu beachten gibt. Die meisten Bundesländer haben jedes Jahr freie Stellen für das Richteramt zu besetzen.
Wird deine Bewerbung angenommen, entscheidet der Richterwahlausschuss des jeweiligen Landtages bzw. Abgeordnetenhauses über deine Einstellung. Stimmt der Ausschuss zu – was meistens der Fall ist – wirst du zunächst für drei Jahre als Richter auf Probe ernannt.
Die dreijährige Probezeit verbringen die Berufseinsteiger an den verschiedensten Stationen, um sie auf ihre endgültigen Aufgaben vorzubereiten. In den meisten Bundesländern gehört eine mehrmonatige Tätigkeit als Staatsanwalt dazu. Berufsanfänger landen auch häufig in den Zivil- und Strafkammern der Landgerichte, wo sie nicht auf sich allein gestellt sind, sondern durch ihre Richterkollegen aus derselben Kammer unterstützt werden. Später übernehmen viele dann vertretungsweise Abteilungen bei den Amtsgerichten, wo sie selbstständig und eigenverantwortlich entscheiden müssen.
Deine Aufgaben im Richteramt
Welche Tätigkeiten umfasst das Richteramt nun eigentlich? Richter entscheiden nach dem Aktenstudium im Beschlusswege, ob ein Gerichtstermin durchzuführen ist, und leiten zweimal wöchentlich Gerichtsverhandlungen, die in vielen, jedoch längst nicht in allen Fällen mit einem Urteil enden. Das ist der eigentliche Kern der Richtertätigkeit: die Gerichtsverhandlung. Hier wird der streitige Sachverhalt aufgeklärt, es werden Zeugen vernommen und Beweismittel gewürdigt. Dasselbe gilt übrigens für die Staatsanwaltschaft: Auch hier spielt neben den durchzuführenden Ermittlungen die Hauptverhandlung eine wichtige Rolle.
Für diesen Teil der Richtertätigkeit benötigst du neben deinen Rechtskenntnissen viel Selbstbewusstsein, um dich gegen die Prozessbeteiligten durchzusetzen. Auch Fingerspitzengefühl schadet nicht – gerade die Befragung von Zeugen und anderen Verfahrensbeteiligten erweist sich häufig als schwierig.
Wichtig ist auch schriftliches Ausdrucksvermögen. In Urteilen und Beschlüssen erläuterst du den Beteiligten die juristischen Gründe für deine Entscheidung – und die sollten verständlich und flüssig dargelegt sein.
Vorzüge der Richtertätigkeit: freie Zeiteinteilung, Unabhängigkeit
Wenn du die Hürden der Probezeit gemeistert hast, wirst du auf Lebenszeit ernannt. Du bekommst eine feste Zuständigkeit in einem Gerichtszweig. Nicht immer ist diese Stelle gleich deine Wunschstelle. Doch du hast die Chance, jetzt völlig eigenverantwortlich zu arbeiten. Dies bedeutet auch: freie Einteilung deiner Zeit. Es gibt keine ständigen Anwesenheitspflichten – du kannst also deine Urteile auch zu Hause schreiben. Lediglich zum Aktenstudium und zu den Gerichtssitzungen ist deine Anwesenheit unbedingt erforderlich und verpflichtend.
Ein wichtiger Punkt, der für die Karriere als Richter spricht, ist die gute Vereinbarkeit dieses Berufs mit der Familie. Durch die Möglichkeit, viel im Homeoffice tätig sein zu können, ist dieses Amt besonders für Mütter und Väter eine reizvolle Alternative zu stressigen Jobs in einer Großkanzlei.
Das Eingangsgehalt eines Richters ist dafür geringer als das eines Anwalts in einer großen Kanzlei, und auch im Verlauf des Berufslebens wird der Anwalt in puncto Gehalt die Nase vorn haben. Unschlagbar ist jedoch der Vorteil des Pensionsanspruchs, der dir im öffentlichen Dienst zusteht. Dieser macht den Gehaltsnachteil während des Berufslebens häufig wett und sollte bei der Entscheidung für diesen Beruf mit einfließen.